Praxis: Prof. Dr. med. Uwe Schütz

Myofaszielles Schmerzsyndrom, Dysfunktion, Funktionsstörung

Definition. Die myofasziale Dysfunktion bezeichnet eine Störung der myofaszialen Funktionseinheit, welche mit Schmerzen und/oder Bewegungskontrolldysfunktionen verbunden ist. Steht der Schmerz im Vordergrund der Symptomatik wird häufig die Bezeichnung Myofasziales Schmerzsyndrom verwendet. Die fasziale Dysfunktion wird durch Spannungsveränderungen in den Faszien und daraus resultierend einer Einschränkung ihrer Verschieblichkeit gegenüber angrenzenden spezifischen Strukturen gekennzeichnet.
Epidemiologie. Kreuzschmerzen sind häufig myofaszial mitbedingt. Die Schwierigkeit differenzierte Aussagen zur Epidemiologie myofaszialer Dysfunktion bei Kreuzschmerzen zu machen, resultiert aus der aktuellen Studienlage. Myofasziale Dysfunktionen besitzen ein großes Chronifizierungspotential. Bei chronischen Kreuzschmerzen sind häufig Kombinationen aus degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule mit entzündlichen Anteilen der Wirbelgelenke und gelenk-myofaszialen Störungen (funktionelle Befunde) zu finden.
Symptomatik. Myofasziale Dysfunktionen können selbst sowohl lokalen Kreuzschmerz, als auch Kreuzschmerz mit Ausstrahlung hervorrufen, so sie hyperton und/oder mit Triggerpunkten behaftet sind. Triggerpunkt induzierter Muskelschmerz wird brennend, bohrend, stechend beschrieben und als Zeichen zentraler Sensibilisierung häufig begleitet von Dys- und Parästhesien (u.a. Kribbeln und Schwellungsgefühl). Typisch ist ein Anstieg der Schmerzstärke unter fortlaufender Beanspruchung der schmerzauslösenden Muskulatur. Weitere klinische Zeichen sind Störung der Haltung, des aktiven und passiven Bewegungsausmaßes und des Bewegungsablaufes. Aus schmerzreflektorischer Hemmung einzelner Muskeln des Beckengürtels und der unteren Extremitäten resultiert Bewegungsunsicherheit, Haltungsunsicherheit und/oder Steifheit in der Lenden-Becken-Hüftregion, die über Verkettung bis zum Schultergürtel möglich ist. Somit kann die schmerzreflektorisch gehemmte Muskulatur ein motorisches Defizit vortäuschen.
Diagnostik. Die Diagnostik der myofaszialen Dysfunktion erfolgt durch gezielte, auch anatomisch definierte klinische Funktionstests. Diese sollen in einen manualmedizinischen/funktionellen orthopädischen Untersuchungsgang integriert sein und anschließend strukturiert bewertet werden. Kriterien für die Relevanz des erhobenen myofaszialen Befundes sind:
- Schmerzauslösung („Reproduktion der bekannten Symptome durch mechanische Stimulation“) mit Konsistenz zwischen Befund und Schmerzlokalisation/ Beschwerdeintensität/ beschriebener Einschränkung (=schmerzauslösende Einzelbefunde).
- Aufrechterhaltung der schmerzauslösenden Funktionsstörung (=grundlegende Funktionsstörungen)
- Einfluss auf schmerzrelevante morphologische Veränderungen (z.B. funktionelle Unterhaltung/Verstärkung eines Facettensyndroms durch mangelhafte dynamische Stabilisation).
Therapie. In der Therapie werden wie in der Diagnostik in erster Linie neuroreflektorische und biomechanische Mechanismen genutzt. Bei Patienten mit akuten und chronischen Kreuzschmerzen, die den o.g. Kriterien der Myofaszialen Dysfunktion folgen, ist der Einsatz manueller Therapieverfahren aussichtsreich, beim akuten, dysfunktionellen Kreuzschmerz einer medikamentösen Therapie überlegen. Komplexe manualmedizinische Therapieprogramme sind bei chronischen Rückenschmerzen monomodalen Behandlungsansätzen überlegen. Für ein nachhaltiges Behandlungsergebnis sowie zur Rezidivprophylaxe kann ein Training der intermuskulären Koordination mit propriozeptivem Training einschließlich der Integration der segmentalen Stabilisation im Therapieprogramm sinnvoll sein.