Praxis: Prof. Dr. med. Uwe Schütz

Axiale Spondylarthritis – Spondylarthritiden (SpA)

Synonyme: seronegative Spondylarthropathien; inkludiert ankylosierende Spondylitis; Spondylitis ankylosans (früher: Morbus Bechterew)

Die Kenntnis der Erkrankung ist relevant, da etwa 5 % der Patienten mit chronischen Rückenschmerzen an einer axialen Spondyloarthritis leiden, und sehr effektive, spezifische Therapien zur Verfügung stehen.

Definition. Unter der Bezeichnung Spondylarthritiden (SpA) wird eine Gruppe von Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises zusammengefasst, bei denen Entzündungen im Bereich der Wirbelsäule insbesondere der Sakroiliakalgelenke (SIG, Sakroiliitis), der Wirbelkörper (Spondylitis), der kleinen Wirbelgelenke (Spondylarthritis) und der Sehnenansätze (Enthesitis) vorliegen. Es besteht eine starke Assoziation mit dem genetischen Marker HLA-B27.

Terminologie. Ist das Achsenskelett (Sakroiliitis, Spondylitis) mit oder ohne periphere Beteiligung (periphere Arthritis, Enthesitis) betroffen, spricht man von „axialer SpA“, liegt eine periphere Arthritis und/ oder periphere Enthesitis ohne Befall des Achsenskeletts vor, von „peripherer SpA“. Eine axiale SpA mit Sakroiliitis im Röntgenbild ist synonym mit der ankylosierenden Spondylitis (M. Bechterew) und wird auch als röntgenologische axiale SpA (r-axSpA) bezeichnet, die axiale SpA ohne eindeutige Sakroiliitis im Röntgenbild wird als nicht-röntgenologische axiale SpA (nr-axSpA) bezeichnet.

Epidemiologie. Etwa 5 % aller Menschen mit chronischen (>3 Monate) tiefsitzenden Rückenschmerzen und Beginn vor dem 45. Lebensjahr. haben eine axiale Spondyloarthritis. Ist bei diesen Patienten HLA-B27 positiv, beträgt die Wahrscheinlichkeit bereits 30%, ist das Symptom „entzündlicher Rückenschmerz“ vorhanden, beträgt die Wahrscheinlichkeit 15-20%.
Bei einem Teil der Patienten leiden Familienangehörige ebenfalls unter Erkrankungen aus der Gruppe der Spondyloarthritiden. Leiden Familienangehörige zum Beispiel unter einer Psoriasis vulgaris oder liegt ein Morbus Bechterew vor, spricht der Arzt von einer positiven Familienanamnese.

Symptomatik. Charakteristisch sind tiefsitzender Kreuzschmerz bei jungen Erwachsenen (Schmerzbeginn bei 80% der Betroffenen zwischen dem 20.-30. Lebensjahr, erste Symptome nach dem 45. Lebensjahr sind sehr selten!) und Einschränkung der Wirbelsäulenbeweglichkeit der Lendenwirbelsäule, letztere manifestiert sich oft jedoch erst im längeren Verlauf. Die Kreuzschmerzen bei axialer SpA werden auch als „entzündlicher Rückenschmerz“ bezeichnet und haben folgende Charakteristik:
- meist entwickeln sie sich langsam
- Morgensteifigkeit im unteren Rücken/ Kreuz von mind. 30 Minuten
- frühmorgendlicher Schmerz/ nächtliches Erwachen
- Besserung durch Bewegung
- Keine Besserung durch Ruhe
- wechselseitiger Gesäßschmerz

Periphere (außerhalb der Wirbelsäule liegendea) Arthritiden (Gelenkentzündungen) kommen vor. Diese treten meist als asymmetrische Entzündung nur weniger, eher großer Gelenke auf (medizinischer Fachausdruck: Oligoarthritis). Eine Besonderheit der Gelenkentzündung bei Patienten mit axSpA ist die Entwicklung einer Gelenkentzündung ganzer Finger oder Zehen, welche als Daktylitis bezeichnet wird. Neben der Arthritis kann sich auch eine Enthesitis (Sehnenansatzentzündung) entwickeln, die insbesondere am Ansatz der Achillessehne auftreten kann. Entzündliche und knöcherne Veränderungen an Knochen und Sehnen können zu Fehlhaltungen und damit zu schmerzhaften Muskelverspannungen führen.
Neben den Beschwerden des Muskel-Skelett-Systems kann es bei bis zu 50% der Patienten zu Beschwerden außerhalb des Skeletts kommen. Hier sind insbesondere die Beteiligung der Augen mit der anterioren Uveitis (Regenbogenhautentzündung des Auges), die Beteiligung der Haut mit der Psoriasis (Schuppenflechte) und/oder die Beteiligung des Darms mit einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa) zu nennen.
Zusammengefasst liegen bei Patienten mit einer axSpA Symptome vor, die unter dem Begriff SpA-Zeichen zusammengefasst werden:
- Chronisch entzündlicher Rückenschmerz, v.a. mit Sakroiliitis (Entzündung Kruez-Darmbein-Gelenk)
- Arthritis (Gelenkentzündung)
- Uveitis (Entzündung des Auges)
- Daktylitis (Entzündung der Finger oder Zehen im Strahl, sogenannter Wurstfinger bzw. Wurstzehe)
- Psoriasis (Schuppenflechte)
- Entzündliche Darmerkrankung

Diagnostik. Neben Anamnese (entzündlicher Rückenschmerz, Uveitis, familiäre Belastung, frühere Arthritis, Fersenschmerz, Psoriasis, M. Crohn), körperlicher Untersuchung und Bildgebung (Röntgen und/oder MRT: Sakroiliitis) spielen die Laborparameter (insbesondere HLA-B27) eine wichtige Rolle. Obwohl es sich um eine entzündlich rheumatische Erkrankung handelt, sind die Entzündungsparameter (C-reaktives Protein (CRP), Blutkörperchen-Senkungs-Geschwindigkeit (BSG)) nur in 40-50% erhöht. Die Feststellung des Erbmerkmals HLA-B27 allein beweist nicht das Vorliegen einer axialen SpA. Umgekehrt beweist das Fehlen des Erbmerkmals auch nicht, dass keine axiale SpA vorliegt. Der Befund gibt aber einen wichtigen zusätzlichen Hinweis, ob eine axiale SpA wahrscheinlich ist.
Die Erfassung der Krankheitsaktivität und der körperlichen Funktionsfähigkeit (Einschränkungen bei Alltagsverrichtungen) kann mit Fragebögen, die der Patient selbst beantwortet, erfolgen. Hierzu werden häufig die sogenannten Bath-Indizes benutzt: die Krankheitsaktivität wird mit dem Bath Ankylosing Spondylitis Disease Activity Index (BASDAI) und die körperliche Funktionsfähigkeit mit dem Bath Ankylosing Spondylitis Functional Index (BASFI) erfasst.

Therapie. Die axiale SpA bedarf in besonderem Maße eines interprofessionalen Behandlungskonzeptes. Dies umfasst neben Schulungsmaßnahmen/Edukation die Kombination von physikalischen (physikalische Therapie, Bewegungstherapie sowie sportliche Aktivitäten als auch Eigengymnastik, Selbstmanagment-Methoden) und medikamentösen Maßnahmen. Mit nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) und Biologika (Tumor-Nekrose-Faktor (TNF)-Inhibitoren, Interleukin (IL)-17 Inhibitoren) stehen hocheffektive medikamentöse Therapien zur Verfügung. Im Laufe der Erkrankung können invasive Maßnahmen wie Injektionen oder eine Operation notwendig sein.

Prognose. Die Mehrzahl der Patienten zeigt nach einigen Jahren Krankheitsverlauf eine Beeinträchtigung der Knochendichte (Osteopenie) bis hin zum Knochenschwund (Osteoporose). Patienten mit Verknöcherungen der Wirbelsäule (durch sogenannte Syndesmophyten) haben im Vergleich zu Gesunden ein höheres Risiko, spontan oder auch bei einem nur geringfügigen Unfall einen Wirbelbruch zu erleiden. Patienten mit einem Wirbelbruch sollten wegen der häufig anzutreffenden Instabilität des Bruchs und des damit einhergehenden (Spät)-Risikos für Lähmungen umgehend in einem spezialisierten Zentrum für Wirbelsäulenchirurgie behandelt werden.